Jos de Wit
Gestern las ich: "Der Merapi ist wieder ausgebrochen". - Der Merapi (3000 m) gilt als einer der aktivsten Vulkane der Erde und liegt in Zentral-Java (Indonesien) in der Nähe von Yogyakarta. Yogyakarta ist eine Stadt mit einem unvergleichlichen Angebot an Sehenswürdigkeiten. Als ich Yogyakarta las, musste ich dennoch sofort an ein völlig anderes Ereignis denken, obwohl es schon länger zurückliegt.
Es war noch in der Zeit, als es kein Internet gab und man als Tourist gezwungen war, Ansichtskarten in die Heimat zu schicken: Die Texte lauteten gewöhnlich: "Alles gut!" oder "Es ist heiß hier!" oder "Es ist wunderbar hier!" und immer zum Schluss: "Mit vielen Grüßen". Genau zu dieser Zeit hatte die indonesische Regierung - ohne Vorwarnung! - beschlossen, die Posttarife für das Ausland mit dem Faktor 10 zu erhöhen, ohne jedoch die Briefmarken anzupassen. Das bedeutete, dass auf eine Ansichtskarte mindestens 8 Briefmarken geklebt werden mussten. Meine Schwester - als lokale Expertin - hatte uns geraten, zuerst die Briefmarken zu kleben und dann erst dort zu schreiben, wo noch etwas Platz übrig war.
Schließlich kamen wir mit etwa 20 leeren Ansichtskarten zum Postamt. Das Postamt hatte seinen Sitz in einem ansehnlich restaurierten, riesigen Gebäude aus der holländischen Kolonialzeit. Früher hatte das "Post en Telegraaf Kantoor" dort seinen Sitz.
In der Tür stand ein uniformierter Sicherheitsmann, ausnahmsweise ohne Trillerpfeife. Er gab uns einen Zettel mit einer Nummer, sagte nichts, sondern zeigte auf eine Bank und auf einen leeren Bildschirm. Die Halle war riesig, hatte ungefähr 15 Schalter und hinter jedem Schalter saß jemand. Kein Kunde war da, trotzdem war Warten angesagt. Nach einiger Zeit erschien eine Nummer auf dem Bildschirm. Wir schlauen Holländer (eigentlich ein Pleonasmus) hatten sofort verstanden, dass wir zu dem Schalter mit dieser Nummer gehen mussten. Hinter dem Schalter saß ein junges Mädchen, das zwar freundlich lachen konnte, aber kein Wort Englisch verstand.
Am Schalter stand auch eine Schüssel mit Klebstoff und einem Pinsel. Wir zeigten auf eine Ansichtskarte, und nicht nur Holländer sind schlau! Auch Indonesier können es sein, denn das Mädchen nahm die Schüssel mit Klebstoff und begann sofort, Briefmarken zu kleben. Als die Angestellte sah, dass wir viele Karten hatten, rief sie ihre Nachbarinnen hinzu. Und so waren drei Leute damit beschäftigt, für uns Briefmarken aufzukleben.
Alle Briefmarken befanden sich in einem Heftchen, bei dem, wenn es keine Marken mehr enthielt, ein Rubbelfeld erschien. Mit etwas Glück konnte man etwas gewinnen. Ich war der Kratzer vom Dienst und als ich beim dritten Mal "YES" schrie, standen plötzlich alle Mitarbeiter hinter unserem Schalter. Es war leider falscher Alarm. Als ich dann zum viertem Mal „Weer niet" (wieder nichts) stöhnte, rief die ganze Belegschaft geschlossen „Weer niet“. So hatten alle, auch wir, unglaublich viel Spaß.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas hier passieren könnte. Denn das Einzige, das hier mit Postämtern geschieht, ist, dass sie geschlossen werden.
Jos de Wit